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Ian D. Fowler

Uhrenrestaurator u. Uhrenhistoriker

Fach - Artikel


Die sogenannten Gutwein-Uhren.

Bodenstanduhren mit astronomisch-geographischem Werk und Äquation, Mainfränkisches Museum Würzburg und Bayerisches Nationalmuseum München. [3]

Gehäuse Gutwein Uhr
1: Gehäuse (Mattern oder Fellweck?)
Einleitung
Der Ausdruck „Gutwein-Uhr“ bezieht sich auf mindestens 3 Bodenstanduhren, die etwa zwischen 1756 und 1768 in Würzburg (oder im Raume Würzburg) gebaut wurden. Eine Uhr, die sehr eingehend im Rahmen einer Restaurierung  untersucht werden konnte, steht im Mainfränkischen Museum in Würzburg [1]. Die zweite, die auch untersucht wurde, steht im Bayerischen Nationalmuseum in München[2]. Ihre Provenienz kann mit ziemlicher Sicherheit belegt werden und dient als Anhaltspunkt zur Datierung und Herstellerzuschreibung. Eine dritte Uhr dieser Art befand sich um 1968 im Münchener Kunsthandel [3], aber ihr Standort ist inzwischen unbekannt und nur ein Foto des Äußeren der Uhr steht zur Verfügung. Somit konnte das Werk der dritten Uhr nicht mit den anderen verglichen werden und wird bei den Beschreibungen außer acht gelassen. Die folgenden Werkbeschreibungen und die Fotos befassen sich im Detail mit der Würzburger Uhr. Wenn Einzelheiten im Werk der Münchener Uhr sich wesentlich davon unterscheiden, werden sie erwähnt. In den meisten Fällen sind diese Unterschiede Verbesserungen oder Verfeinerungen bei der Münchener Uhr, die auf ein späteres Herstellungsdatum als bei der Würzburger Uhr hindeuten.
Der Name „Gutwein-Uhr“ ist irreführend und entstand nur deshalb, weil am Zifferblatt der Münchener Uhr „Gutwein incidit Wircep“ eingraviert steht. Diese Inschrift bezieht sich nur auf die Gravur denn Gutwein [4] war kein Uhrmacher sondern Graveur (Stecher) in Würzburg. Die Uhren sind von keinem Uhrmacher signiert - also anonym. (Es sei denn, daß an der 3. Uhr etwas steht.) Die Funktionen und Anzeigen der Uhren sowie deren Anordnung auf dem Zifferblatt sind zwar gleich aber die Uhren sind in ihren Einzelheiten nicht ganz identisch; somit kann man nicht behaupten, daß sie zur gleichen Zeit in Serie hergestellt wurden. Da die Werke so ähnlich und in ihrer komplizierten Beschaffenheit einzigartig sind, müssen sie entweder von demselben Hersteller oder aus derselben Werkstatt stammen. Es stellt sich allerdings die Frage, warum der Uhrmacher, oder in diesem Falle der Erbauer der Uhren, eine so hervorragende Arbeit gerade nicht signiert, und das bei 3 Uhren.
Die Bedeutung dieser Uhren in einem historischen Zusammenhang wurde bis jetzt nicht gewürdigt. Ihre Entstehung läßt sich nach den Uhren des Prager Paters Klein [5] datieren, der seine letzte geographische Uhr um 1753/54 baute, und vor den Uhren der Wiener Patres Aurelius a San Daniele und David a San Cajetano [6], deren erste Uhren ab 1769 erschienen. Die Münchener Uhr (vermutlich die jüngste) wurde nachweislich 1768 fertiggestellt, wie nachher beschrieben. Somit scheint die Verwendung dieser französischen Art Äquationswerk wie in den „Gutwein-Uhren“ erstmalig in Deutschland zu sein. Die innovative Anzeige der Sonneneinstrahlung mittels eines biegsamen Drahtes in Verbindung mit dem geographischen Teil ist einfacher als bei Klein, aber genial und vielleicht der ausschlaggebende Hinweis zur Zuschreibung der Uhren. Sie befindet sich auch in einer späteren Uhr von Rinderle im Deutschen Uhrenmusem Furtwangen, die 1787 datiert wird.[7]
Das Antriebswerk.
Das große Uhrwerk ist als kräftiger „Motor“ anzusehen. Es hat einen Gangdauer von 1 Monat. Die zwei mit Messing ummantelten Bleigewichte von jeweils ca. 6 kg haben halb versenkte Umlenkrollen, die die Fallhöhe der Gewichte in dem relativ niedrigen Kasten etwas verlängern gegenüber den üblichen Umlenkrollen mit Bügeln. Beide Gewichte ziehen über Darmsaiten an massiven Messingwalzen, jede mit einer gewindeartigen Führungsnute, die das regelmäßige Aufrollen der Saiten beim Aufziehen gewährleisten. 15 Windungen pro Walze sind vorgesehen. (Diese Art Messingwalzen kommen bei englischen Bodenstanduhrwerken fast immer, bei deutschen Uhren aber nur bei besserer Qualität vor: oft verwendete man sogar Holz für die Walzen.) Die Sperräder sind ebenfalls aus Messing und an jedem Walzenrad sind zwei Sperrklinken und Sperrfedern angebracht. Beide Walzenräder haben die gleiche Zahnzahl -96- und greifen in denselben Trieb mit 16 Zähnen.
Der Abschluß der Walzen zur Vorderplatine hin sind als Zahnräder ausgebildet. Sie greifen in Zahnräder ein, deren verlängerte, axial verschiebbare Achsen im unteren Zifferblattbereich sind.

Räderwerk
2: Räderwerk

Beim Aufziehen der Uhr müssen die Achsen mit ihren Vierkanten gegen eine Feder nach innen gedrückt werden, um den Eingriff zwischen diesen Aufzugsrädern und den Zahnrädern an den Walzen herzustellen. Da diese Achsen mit Vierkanten axial verschiebbar sind, werden sie sonst durch Federn auf der Hinterplatine nach vorne gedrückt und sind nicht im Eingriff. Bei der Münchener Uhr ist ein zusätzliches Aufzugsrad in den beiden Getriebeketten zur Walze eingebaut, damit die Aufzugsvierkante tiefer sind und die Aufzugslöcher nicht im Kalenderring erscheinen - eine offensichtliche Verbesserung gegenüber der Würzburger Uhr. Ein Kontergesperr für das ununterbrochene Laufen der Uhr beim Aufziehen wurde nicht vorgesehen, obwohl beim Aufziehen des einen Gewichts die Kraft des anderen das Werk vorübergehend anzutreiben scheint. Die Verzahnung ist verhältnismäßig fein mit hohen Triebzahnzahlen, obwohl die Zähne der Räder wesentlich tiefer in die Triebe eingreifen, als man bei moderner Zykloidenverzahnung nach Modul vorzieht.

Bezeichnung Zähne Durchmesser
Walzenräder 96 75.71mm
Beisaztradtrieb 16 13.69mm
Beisatzrad 96 57.92mm
Minutenradtrieb 12 8.27mm
Minutenrad 90 51.68mm
Zwischenradtrieb 12 7.97mm
Zwischenrad 80 44.88mm
Ankerradtrieb 10 6.5mm
Ankerrad 30 44.29mm

Alle Stahltriebe sind gehärtet. Alle Messingräder haben vier Speichen und mit Ausnahme des Ankerrads sind an den Trieben vernietet. Das Werk hat eine übliche rückführende Hakenhemmung (nach Clement), die sich wegen der unterschiedlichen vom Kalenderwerk bedingten Störungen im Kraftfluß besser eignet als eine ruhende Hemmung. Der Pendelstab ist aus Messing. Die Pendelfeder wird von einem kleinen Messingklotz auf der Ankerbrücke auf der Hinterplatine getragen, der sich durch eine kleine Flügelschraube verstellen läßt, um den Abfall der Hemmung einzustellen. Dieses System der Abfallverstellung ist zwar nicht neu, aber seine Ausführung in dieser Art ungewöhnlich. Interessanterweise findet man es in der gleichen Ausführung an einem Würzburger Standuhrwerk signiert von Kesmann um 1761 [8] und an dem Antriebswerk des Wiener Planetariums von Neßtfell. (Handelt es sich hier um eine zeitgenössische Würzburger Bauweise oder die Eigenart einer bestimmten Werkstatt?)
Die etwa 4mm starken Messingplatinen sind beide etwa 220mm breit. Die Hinterplatine ist 260 mm hoch aber die Vorderplatine ist höher - 270mm.-, um die Befestigung des Zifferblatts unterzubringen. Sie werden von vier gegossenen und nachgedrehten ballustförmigen Pfeilern (in der Art der barocken Uhrwerken) zusammengehalten, die ungewöhnlicherweise für ein Bodenstanduhrwerk an der Vorderplatine vernietet und auf der Hinterplatine verstiftet sind.
Die Minutenradachse ist wie üblich durch die Vorderplatine verlängert und ist die einzige Verbindung des Antriebswerk mit Äquations- und Kalenderwerk.

Das Äquationswerk
Das Äquationsgetriebe ist in einem Rahmen in der Form eines flachen Käfigs gelagert, der fest mit dem Rohr des gebläuten Minutenzeigers der mittleren Zeit verbunden ist. Dieser Käfig dreht sich konzentrisch mit der Minutenradachse, die von dem Antriebswerk durch die Vorderplatine geführt wird (s. Zeichnung), und wird mit einer Vierkantmutter vorne festgeschraubt.

Äquationswerk
3: Äquationswerk.

In Vergleich zu dem Zeigerwerk einer einfachen Uhr ist der Käfig ein Teil des Viertelrohrs. Auf eine Zeigerkupplung mit Feder wird hier verzichtet. Auch konzentrisch mit der Mittelwelle aber fest an der Vorderplatine verschraubt sitzt ein Stahltrieb mit 14 Zähnen, in das das erste Rad mit 50 Zähnen des Äquationsgetriebes eingreift. Der Käfig rotiert mit dem Zeiger, und das Räderwerk darin wird somit angetrieben, indem dieses Rad mit 50 Zähnen an dem feststehenden Rad mit 14 Zähnen sozusagen abstößt. Das letzte, größte Rad in der Getriebekette in dem Äquationskäfig dreht sich konzentrisch mit der Mittelwelle einmal in einem tropischen Jahr [9] (in diesem Falle 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, und 59 Sekunden) und trägt eine nierenförmige Kurvenscheibe. Diese Kurvenscheibe wird von einer Rolle am Ende eines verzahnten Rechens abgetastet, dessen Mittelpunkt am äußeren Rande des Käfigs gelagert wird.

Äquationswerk an der Minutenzeigerwelle
4: Äquationswerk an der Minutenzeigerwelle

Die Kurvenscheibe ist im Grunde genommen eine Programmscheibe, worauf die unterschiedlichen Werte zwischen der mittleren Zeit und wahren Zeit registriert sind. Der Rechen wird durch Federspannung an der Peripherie der Kurvenscheibe gedrückt und der variiernde Radius der Scheibe verursacht eine leicht axiale Drehung des Rechens. Die Zähne des Rechens greifen in ein Zahnrad mit einem langen Rohr, das koaxial über dem Rohr des blauen Minutenzeigers sitzt und mitdreht und den vergoldeten Minutenzeiger der Sonnenzeit trägt. Die leichte Drehung vom Rechen wird von diesem Rad somit registriert und der vergoldete Minutenzeiger verändert langsam aber kontinuierlich seine Position im Verhältnis zu dem blauen Zeiger. Dadurch kann der vergoldete Minutenzeiger bis zu 16 Minuten vor (Anfang November) und 14 Minuten nach (Mitte Februar) dem gebläuten Minutenzeiger stehen. Das Ganze ist eine Art differo-epizyklisches Getriebe [10], das sich einmal in der Stunde dreht und eine ziemlich Last für das Uhrwerk darstellt. Außerdem ist der Käfig nicht ausgewuchtet.
Fest an dem Rohr des vergoldeten Minutenzeiger für die wahre Zeit (Sonnenzeit)sitzt auch ein Rad aus Stahl, das die Übertragung von Zeigerwerk. - in diesem Falle vom Äquationswerk - zum Kalenderwerk weiterführt.
Alle Messingzahnräder des Äquationswerk haben 3 Speichen, die Triebe sind aus Stahl, und die Zahnzahlen sind wie folgt:-
Bezeichnung Zahnzahl Durchmesser mm
feststehender Trieb an der Vorderplatine 14 14.11
Erstes Rad 50 44.14
Trieb am ersten Rad 8 5.02
zweites Rad 96 44.3
Trieb am 2. Rad 7 5.8
drittes Rad 69 43.42
Trieb am 3 Rad 8 4.52
großes Rad 166 69.07
Rechen 24 Radius 49.13
Rad am Minutenrohr des Sonnenzeigers zum Rechen 28
Stahlrad am Sonnenminutenrohr zum Kalenderwerk 44 35.01

(50 x 96 x 69 x 166) / (14 x 8 x 7 x 8) = 8765.8164 Umdrehungen des Äquationswerks zu einer Umdrehung des großen Rads, oder 8765.8164 Stunden;
8765.8164 / 24 = 365.24235 Tage, = 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten,
59 Sekunden, = 1 tropisches Jahr

Bei der Münchener Uhr ist das Äquationsgetriebe in seinem Käfig etwas anders dimensioniert, wodurch der Rechen kürzer ausgeführt werden konnte. Da der Rechen aus der Gesamtkonstruktion herausragen muß, entsteht eine Unwucht, die bei der Münchener Uhr kleiner ausfällt. Auch hier also eine versuchte Verbesserung gegenüber der Würzburger Uhr. Die Zahnzahlen des Äquationsgetriebes sind etwas unterschiedlich, da die Räder kleiner sind, aber die Übersetzungsverhältnisse bleiben gleich:-

Bezeichnung Zähne
feststehender Trieb an der Vorderplatine 14
Erstes Rad 48
Trieb am ersten Rad 4
zweites Rad 50
Trieb am 2. Rad 7
drittes Rad 69
Trieb am 3 Rad 8
großes Rad 166
Rad am Minutenrohr des Sonnenzeigers zum Rechen 28
Rechen 24 Zähne, Radius 49.13mm.
Stahlrad am Sonnenminutenrohr zum Kalenderwerk 44

(48 x 50 x 69 x 166) / (14 x 4 x 7 x 8) = 8765.8164 wie oben
Der Uhrmacher verwendet einen 4-zähnigen Trieb bei der Münchener Uhr. Im modernen Sinne wäre dies eine wesentliche Verschlechterung, weil bei niedrigen Triebzahnzahlen erhebliche Reibung entsteht, aber im 18. Jahrhundert waren noch niedrige Triebzahnzahlen durchaus gebräuchlich, besonders wenn die Übersetzung nicht direkt im Antriebskraftfluß stand. Deshalb kann man diese Veränderung als einen Versuch ansehen, etwas zu verbessern. Man merke hier wie im Kalenderwerk die Verwendung eines Zahnrads mit 69 Zähnen , - eine ungewöhnliche Zahnzahl. Die Bedeutung wird unten noch erklärt.

Das Kalenderwerk
Das ganze Getriebe für das Kalenderwerk der Würzburger Uhr wird auf einer viereckigen Platine montiert, die vor dem rotierenden Äquationsrahmen von 4 kurzen gedrehten Abstandhaltern an der Vorderplatine befestigt wird.

Räder des Kalenderwerks
5: Räder des Kalenderwerks

Bei der Münchener Uhr hat die Kalenderplatine eine etwas andere Form und wird von 3 Abstandhaltern gehalten. Um das oberste Rad zu lagern, wird bei der Münchener Uhr die Platine dachförmig weitergeführt, wobei im Falle der Würzburger Uhr das Rad an beiden Enden der Achse mit Brücken gehalten wird. Hier scheint der Uhrmacher wieder eine Verbesserung vorgenommen zu haben. Er hat jedensfalls bemerkt, daß er mehr Platz auf der Kalenderplatine zur Unterbringung der Räder brauchte. Die Räderachsen des Kalenderwerks werden sonst von Brücken gehalten, die an der Platine verschraubt sind. Dieses Räderwerk treibt den Stundenzeiger, die rotierende Erdkarte, den Kalenderzeiger und die Indikation der Sonneneinstrahlung an.
Auf der Hinterseite dieser Platte sitzt ein Wechselrad, in das das stählenere Rad mit derselben Zahnzahl auf dem Rohr des vergoldeten Minutenzeiger für die wahre Zeit greift. Auf der Achse des Wechselrads ist ein Trieb mit 8 Zähnen, der durch die Platine auf die Vorderseite geführt wird. Dieser Trieb greift einerseits in das konzentrisch mit der Mittelwelle gelagertes 12 Stundenrad, dessen verlängertes Rohr den Stundenzeiger mit einer gravierten vergoldeten Sonne trägt, und
anderseits in ein zweites Rad mit 96 Zähnen, mit dem 2 andere Räder koaxial fest verschraubt sind. Das erste dieser 2 Räder hat 48 Zähne und treibt ein Rad mit 96 Zähnen an, das konzentrisch mit der Mittelwelle an seinem verlängerten Rohr die Erdkarte trägt. Diese zusätzliche Übersetzung bewirkt, daß die Erdkarte halb so schnell (einmal in 24 Stunden) als das Stundenrad und gegen den Uhrzeigersinn rotiert. Koaxial mit den 48 zähnigen und 96 zähnigen Rädern dreht sich ein Trieb mit 16 Zähnen, der in ein Rad mit 69 Zähnen eingreift. An der Achse des 69-zähnigen Rades ist ein Trieb mit 14 Zähnen, der in ein Rad mit 100 Zähnen greift. An der Achse des 100-zähnigen Rades ist ein Trieb mit 7 Zähnen, der in ein großes Rad mit 166 Zähnen greift. Dieses große Rad wird auf einer Brücke gelagert, und dreht sich einmal in einem tropischen Jahr (wie beim Äquationswerk in 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 59 Sekunden) gegen den Uhrzeigersinn konzentrisch mit der Mittelwelle.
Die Messingzahnräder des Kalenderwerks haben, wie beim Äquationswerk, 3 Speichen und die Dimensionen sind wie folgt:-

Bezeichnung Zähne Durchmesser
mm
Stahlrad am Sonnenminutenzeigerrohr 44 35.03mm
Wechselrad auf Hinterseite
der Kalenderplatine
44 33.6 mm
Trieb am obigen Wechselrad zur Vorderseite
der Kalenderplatine
8 6.89mm
Stundenrad für 12 Stundenanzeige 96 62.16

die 3 koaxial fixierten Zahnräder;-
a. im Eingriff mit dem Wechselradtrieb; 96 Zähne, Durchmesser 63.2 mm.,
b. im Eingriff mit Erdkartenrad; 48 Zähne, Durchmesser 32.69 mm
c. zum Kalender; (Stahl) 16 Zähne, Durchmesser 15.48 mm.,

Bezeichnung Zähne Durchmesser
mm
24 Stundenrad für Erdkarte 96 61.54
erstes Rad zum Kalender 69 57.81
Trieb des ersten Rades 14 10.58
zweites Rad zum Kalender 100 63.1
Trieb des zweiten Rades 7 6.81
Kalenderrad 166 120.94

Zum Kalenderwerk:-
(96 x 69 x 100 x 166) / (8 x 16 x 14 x 7) = 8765.8163 Stunden für 1 Umdrehung des Kalenderrads
8765.8163 Stunden = 365.24235 Tage = 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, 59 Sekunden
= 1 tropisches Jahr genau wie beim Äquationswerk!

In diesem Falle ist das tropische Jahr 11 Minuten kürzer als 365 ¼ Tage.
Das große Kalenderrad mit 166 Zähnen trägt an einer Stelle am Zahnkranz einen langen Arm, an dessen Ende sich die Halterung für den spitzen Kalenderzeiger befindet, die durch einen Schlitz zwischen der Minuterie und Kalenderring nach vorne geführt wird. Ebenfalls an dem großen Rad mit 166 Zähnen ist ein großer runder Ring exzentrisch aufgeschraubt.

Kurvenscheibe für Sonnenhorizont auf dem Jahresrad
6: Kurvenscheibe für Sonnenhorizont auf dem Jahresrad

Das große Kalenderrad wird auf einer Brücke gelagert, die über der Mittelwelle geschraubt wird, und durch deren Mitte die Achse für die Minutenzeiger, Stundenzeiger und Erdkarte geführt werden. Auf der Achse derselben Brücke wird ein 5-armiger Stern verschraubt, welcher den 12 Stundenreif und den skelettierten 24 Stundenring trägt. Dieser fünfarmige Stern trägt den Innenteil des Zifferblatts, aber nicht den Kalenderring, der separat auf der Vorderplatine befestigt wird. Bei den 2 Uhren ist die Befestigung des Innenteils des Zifferblatts verschieden. Bei der Würzburger Uhr werden der 12 Stundenring und der 24 Stundenreif einzeln auf den tragenden Stern verschraubt. Bei der Münchener Uhr wird nur der 24 Stundenreif verschraubt, der auch den 12 Stundenring auch hält. Hier also auch eine Rationalisierung. In einem Schlitz mit Führungen in dem untersten Arm dieses Sterns läuft eine Stahlschiene, auf deren Hinterseite 2 lose Rollen befestigt sind, die die Innen- und Außenkante des großen exzentrischen Ringes abtasten. Während der exzentrische Ring langsam in einem Jaht rotiert, wird die Schiene über die Rollen rauf und runter bewegt. Diese Schiene trägt auf der vorderen Seite die Anzeige für die Sonneneinstrahlung.

Führungsschiene mit Rollen für den horizontalen Draht
7: Führungsschiene mit Rollen für den horizontalen Draht

Die sichtbare horizontale Linie auf der Erdkarte ist ein flacher biegsamer Stahldraht, der an den zwei VI Uhr Stellungen in dem 24 Stundenring befestigt wird. Mittels eines vertikalen Stahldrahts, der über einem Bügel um die Zeigerachse den horizontalen Draht mit der Stahlschiene verbindet, wird die horizontale Linie zu den entsprechenden Jahreszeiten gesenkt und gehoben. Da der Draht an seinen äußeren Enden fixiert ist, wird er nach oben oder nach unten gebogen oder gewölbt. Oberhalb der horizontalen Linie sieht man die Länder auf der Erdkarte, die Sonnenlicht haben, und unterhalb der Linie die Länder, die Nacht haben. Infolgedessen ist die Linie im Sommer nach unten gebogen, wo im Polarkreis Mitternachtssonne herrscht, und im Winter nach oben gebogen, wo es im Polarkreis 24 Stunden dunkel bleibt. Die Länder am Äquator am äußersten Rande der Erdkarte und direkt am 24 Stundenring, wo die Enden des Drahtes befestigt sind, haben ganzjährlich 12 Stunden Sonne und 12 Stunden Nacht. Der unbewegliche Draht von der Mitte des Zifferblatts (Zeigerwelle) nach oben ist die Mittagslinie.
Das Kalenderwerk und Zeigerwerk (mit Äquationswerk) sind ständig im Eingriff, wenn das Werk zuammen gebaut ist, und können nicht unabhängig voneinander verstellt werden. Wäre letzteres der Fall, würden Äquation und Kalenderwerk nicht koordiniert bzw. sychronisiert bleiben. Das ganze System läßt sich über den mittleren Vierkant mit dem Aufzugsschlüssel einstellen, wobei dieser Prozeß sehr langsam vonstatten geht, da die Minutenzeiger auch mitgedreht werden. Die Vierkantmutter vorne an der Zeigerachse muß dabei unbedingt gelockert werden.
Der Verstellmechanismus besteht aus 2 ineinander greifenden Transmissionsräder, - eines an der Achse des Vierkants und eins an der Vorderpaltine gelagert, das in das 12 Stundenrad eingreift. Die Vierkantachse muß mit dem Schlüssel nach innen gedrückt werden, damit die Transmissionsräder ineinander greifen wie beim Aufziehen. Weil eine Umdrehung des Schlüssels eine Umdrehung des Stundenrads bewirkt, rotieren die Minutenzeiger zwölfmal schneller. Große Vorsicht muß beim Aufziehen ausgeübt werden. Wenn die Vierkantmutter beim Verstellen versehentlich festgeschraubt bleibt, entsteht eine Klemmung zwischen Kalenderwerk und Äquationswerk, die beim Weiterdrehen eine Verbiegung des Rechens verursacht.

Das Zifferblatt
Zifferblatt mit Zeigern
8: Zifferblatt mit Zeigern

Folgende Anzeigen können vom Zifferblatt abgelesen werden:-
1. die Minuten der mittleren Zeit mit dem gebläuten Minutenzeiger an der Minuterie (die Fünfminuten Markierungen sind wie üblich mit arabischen Zahlen graviert),
2. die Minuten der wahren Zeit (Sonnenzeit) an derselben Minuterie mit dem vergoldeten Minutenzeiger mit graviertem Sonne,
3. die 12 Stunden mit dem vergoldeten Stundenzeiger mit graviertem Sonnenkopf, die wie üblich mit römischen Zahlen am Ziffernring markiert sind,
4. die Zeit in den Ländern der nördlichen Halbkugel mittels der Erdkarte - eine Nordpolprojektion der nördlichen Hemisphere, die gegen den Uhrzeigersinn innerhalb eines vergoldeten skelettierten 24 Stundenrings mit Viertelstundeneinteilungen rotiert, (die Periphärie der Karte entspricht dem Äquator, der Mittelpunkt dem Nordpol),
5. die Position der Mittagssonne an der nördlichen Hemisphere mittels des vertikalen Drahtes zwischen Nordpol (Zeigerachse) und 12 Uhr- Stellung,

Innenteil des Zifferblatts mit Erdkarte, horizontalem Draht für die Sonneneinstrahlung und Stundenzeiger
9: Innenteil des Zifferblatts mit Erdkarte, horizontalem Draht für die Sonneneinstrahlung und Stundenzeiger

6. die Sonneneinstrahlung auf den Ländern der nördlichen Hemisphere oberhalb einer biegsamen Linie, die horizontal über der Erdkarte gespannt ist und der Jahreszeit entsprechend nach oben und unten vom Kalenderwerk gewölbt wird, (im Hochsommer hängt der Draht weit unterhalb der Zeigerachse bzw. dem Nordpol, wo es bekanntlich Mitternachtssonne gibt, und im Winter weit oberhalb des Nordpols, wo es 24 Stunden dunkel bleibt, und an den Aufhängepunkten am 24-Stundenring bleibt der Draht fast horizontal, wo es am Äquator das ganze Jahr 12 Stunden Licht und 12 Stunden Dunkelheit gibt),

Ausschnitt des Datumsrings für den Monat September mit 31 Tagen(!)
10: Ausschnitt des Datumsrings für den Monat September mit 31 Tagen(!)

7. Datum  und Position der Sonne im Tierkreis mittels eines kleinen spitzen gebläuten Zeigers auf einem Jahreskalenderring, das auch an seiner Peripherie die Tierkreiszeichen anzeigt, (der Zeiger läuft gegen den Uhrzeigersinn in einem Schlitz zwischen der Minuterie und Kalenderring und macht eine Úmdrehung in einem tropischen Jahr).

Der Kalenderring
Die Monatsnamen sind auf dem innersten Ring graviert und darüber das Datum in arabischen Zahlen -5, 10, 15, 20, 25, 30/31. Danach sind vier konzentrische Ringe mit jemals 365 Einteilungen graviert, die um eine Vierteleinteilung gegeneinander versetzt sind. Mit dieser Vierjahresspirale [11] ist es möglich, das Datum über einer Periode von vier Jahren (einem Schaltzyklus) anzuzeigen, weil der Kalenderzeiger sich in einem tropischen Jahr - fast 365 ¼ Tagen - dreht. Diese Art Kalenderanzeige war schon früher weit verbreitet und stellt keine Neuigkeit dar. Der kleine spitze Zeiger überstreicht alle 4 Kalenderringe. Nach einem Umlauf von 365 Tagen steht der Kalenderzeiger also um ¼ Tag zurück, aber, da der nächste Ring nach innen einen Vierteltag früher anfangen soll, wird diese Differenz aufgehoben, wenn man von dem nächsten Ring das Datum abliest. Dieser Prozeß wiederholt sich bis zum Schaltjahr, wo der bürgerliche Kalender 366 Tage hat, und der kleine Kalenderzeiger kann einen ganzen Tag nachholen. Die Ablesung erfolgt danach vom äußeren Ring nach innen. Jede zweite Einteilung (Tag) ist schattiert graviert, um die Ablesung deutlicher zu machen. Allerdings scheinen die Ringe im Falle der Würzburger Uhr nicht genau um einen Vierteltag versetzt zu sein aber es handelt sich wohl hier um noch einen Fehler des Graveurs, s. unten.

Datumszeiger
11: Datumszeiger

Der kleine Zeiger dreht sich jedoch in einem tropischen Jahr, das 11 Minuten kürzer ist als 365 ¼ Tage. Die Differenz von 11 Minuten machen sich auf dem Kalenderring in einem Jahr natürlich nicht bemerkbar, da die Tagesmarkierungen nur 3 mm auseinander sind, aber nach einigen Jahrzehnten werden diese akkumulierten Differenzen zu einer Ungenauigkeit auf dem Kalenderring führen. In diesem Zusammenhang sind die kleinen Zahlen - 35, 70, 100, 126 - am Rande des Ringes bei der Würzburger Uhr am 28. Februar zu verstehen. Sie sind mit Ansätzen von konzentrischen Kreisen, mit Strichen für ¼ , ½ , ¾ , und einen ganzen Tag sowie einigen Punkten verbunden. Es ist zu vermuten, daß diese Zahlen und Striche auf vorzunehmene Korrekturvorgänge zu beziehen sind, die gemacht werden müssen, um die akkumulierten Diskrepanzen zwischen dem tropischen und bürgerlichen Jahr und die verschiedene Schaltjahre zu überbrücken.

Die Zahlen am 28. Februar
12: Die Zahlen am 28. Februar

Man könnte sie so interpretieren, daß nach 35 Jahren der Datumszeiger um einen Vierteltag zurückgestellt werden sollte, nach 70 Jahren um einen halben Tag, nach 100 Jahren einen Dreivierteltag und nach 126 Jahren einen ganzen Tag. Die Zahl 126 findet man auch an dem Neßtfell'schen [12,13,14,15] Planetarium in Wien, wo es auf Latein heißt, daß nach 126 Jahren auch mit Rücksicht auf Schaltjahren und Ausfall von Schaltjahren einen ganzen Tag Differenz entsteht [16]. Bei der Münchener Gutwein-Uhr sind diese Zahlen nicht zu sehen, weil es hier keinen ausreichenden Platz am Kalenderring dafür gibt. Außerdem würde eine solche Uhr nie kontinuierlich 35 Jahre laufen, ohne verstellt zu werden, geschweige denn 126 Jahre, (man denke nur an notwendige Reinigungsarbeiten). Beim Bau der wohl späteren Münchener Uhr hat man diese kleinen Zahlen weggelassen. Man hat erkannt, daß sie überflüssig sind. Also noch ein Hinweis für eine frühere Datierung der Würzburger Gutwein-Uhr.
Am Rande des Kalenderrings der Würzburger Uhr sind die Symbole der Tierkreiszeichen graviert, die Aequinoctien am 21 März und 23 September und die Sonnenwenden (Solistitium) am 21 Juni und 21 Dezember. Bei der Münchener Uhr entfallen sie ganz. Die Löcher für Zugang zu den Aufzugs- und Verstellvierkanten befinden sich bei der Würzburger Uhr mitten im Kalenderring an Stellen Ende November, Mitte Dezember, und Mitte Januar. Unter dem Ring ist ein Schieber mit entsprechender Gravur, um die Löcher zu verdecken. Sie wird mittels eines Knopfs unterhalb des Ringes betätigt. Natürlich mußte der Kalender unnötig verstellt werden, um die Uhr aufzuziehen, falls die Uhr an einer dieser Positionen stehenblieb. Bei der Münchener Uhr befinden sich die Augzugslöcher unterhalb des Kalenderrings und der Knopf darunter entfällt. Dadurch entsteht ein breiterer Abstand bei der Würzburger Uhr zwischen Kalenderring und Abschlußreif im unteren Bereich, wo der Kalender das Winterhalbjahr anzeigt. Im oberen Bereich (Sommer) steht der Reif direkt am Ring. Diese Exentrizität widerspiegelt wohl die Ekliptik, indem der Tierkreis im Hochsommer näher am Kalenderring als im Winter ist. Bei der Münchener Uhr wird die Ekliptik durch einen etwas exzentrisch laufenden Ring mit den 360 Einteilungen für den Tierkreis widerspiegelt, der direkt am Außenrande des Kalenderrings läuft (Sommer) und etwa 5mm vom Kalenderring im unteren Bereich (Winter) steht. Im Sommerhalbjahr sind die Zahlen und Tierkreissymbole außerhalb des Tierkreisrings und im Winterhalbjahr innerhalb des Tierkreisrings graviert. Der Sprung von innerhalb zu außerhalb erfolgt an den Aequinoctien, die bei der Münchener Uhr nicht genannt werden. Bei der Würzburger Uhr wurde der Tierkreis auf der Innenseite eines etwa 10mm hohen Abschlußreifs in der Form eines flachen Zylinders graviert, der am äußeren Rande des Zifferblatts aufgespannt wird. Hier sind die 360 Einteilungen des Tierkreisringes, die innerhalb eines Tierzeichens in Gruppen von 5 und 10 weiter unterteilt sind (die Häuser). Die Symbole der Tierkreiszeichen wiederholen sich auf der Innenseite des Reifs sowie am äußeren Rande des Kalenderrings.
Einige Gravurfehler fallen am Kalenderring beider Uhren auf:- obwohl die Einteilungen der Anzahl der Tage jedem Monat korrekt entsprechen, stehen bei manchen Monatsenden falsche Zahlen, z.B bei der Würzburger Uhr Ende August 30 statt 31, Ende September 31 statt 30, Ende Oktober 30 statt 31, und Ende Juni 31 statt 30. Die ungenaue Versetzung der vier Kalenderringe beruht ebenfalls auf einem Fehler des Graveurs. Bei der Münchener Uhr gibts nur einen Fehler am Kalenderring- den 30 Mai. Vielleicht hat sich der Auftraggeber nach den vielen Fehlern bei der früheren Uhr beschwert. Trotz dieser Flüchtigkeitsfehler, mangelhafter Anweisungen seitens des Auftraggebers oder sogar Unkenntnisse des Graveurs soll man die Qualität der Gravur - besonders in der kleinen Ausführung- nicht unterschätzen. Außerdem konnte die präzise Teilung des Kalenderrings- die 365 Einteilungen für den Kalender viermal und die 360 Einteilungen für den Tierkreis - nur in einer Graveurwerkstatt mit Zugang zu einem besseren Teilapparat erfolgen, es sei denn diese Aufgabe wurde von einem Uhrmacher/Mechaniker in Zusammenarbeit mit dem Graveur übernommen.
Die Befestigung des Kalenderrings an der Vorderplatine ist bei den beiden Uhren verschieden:- bei der Würzburger Uhr in konventioneller Weise mit Stiften, und bei der Münchener Uhr durch Verschraubung von hinten.

Die Erdkarte
Wie schon erwähnt, ist die Erdkarte eine Planisphäre, also eine zweidimensionale Nordpolprojektion der nördlichen Hemisphäre. Die Breitengrade sind mit 9 konzentrischen Kreisen markiert. Der breitere Außenrand bildet den Äquator und hat 360 Einteilungen, jede zweite Einteilung ist schattiert graviert. Jeder 10. Längengrad ist mit einer radialen Linie markiert und somit am Äquator in 10 Kästchen unterteilt. Der Nullpunkt - markiert als “Meridians Primus“- läuft noch im Atlantischen Ozean westlich der Kanarischen Inseln. Die Ekliptik wird durch ein Band mit abwechselnd schattierten und nicht schattierten Einteilung angedeutet, das elliptisch von einem Punkt am Äquator westlich von Amerika nach Osten zu einem Punkt am Äquator östlich von Afrika läuft. Es schneidet den „Meridians Primus“ am weitesten vom Äquator, bei etwa 23°27'.

Die Erdkarte
13: Die Erdkarte

Die Geographie sowie die Orthographie der Erdkarte selber sind so ungenau, daß die Karte als brauchbare wissenschaftliche Darstellung nicht dienen kann. In der Mitte des 18. Jahrhunderts und sogar viel früher gab es wesentlich genauere Erdkarten und Globen sowohl in dieser Größe als auch in Nordpolprojektionen. Es läßt sich nicht feststellen, nach welcher Vorlage gearbeitet wurde, obwohl die Ortsangaben hauptsächlich auf Latein oder Portugisisch(?) oder gemischt geschrieben sind. Ortsangaben wurden entweder falsch zugeordnet oder vertauscht, die Küsten sowie die Flußläufe sind auch manchmal arbiträr. Diese Nachlässigkeiten kann man aber z.T. dem Graveur zuschreiben, der sich eindeutig an der Erdkarte der Münchener Uhr verewigt - „ Gutwein incidit Wircep“- und er hat bestimmt beide Karten graviert. Da er lediglich mit „incidit“ signiert, könnte man argumentieren, daß er nicht als Autor und Zeichner der Kartenvorlage in Anspruch zu nehmen wäre. Unterschiedliche Fehler zwischen den zwei Uhren tauchen auf, wenn man die Karten genauer betrachtet:-
bei der Münchener Uhr sind Borneo (Porne) und Sumatra (Fumata) vertauscht, bei der Würzburger Uhr werden die Inseln richtig benannt,
für Indien (oder India) steht bei der Würzburger Uhr „Adia“ und bei der Münchener „Idia“, (er konnte anscheinend die Vorlage nicht entziffern)
die nordwestliche Küste Amerikas scheint bei beiden Uhren jeweils eine eigene Erfindung zu sein.


Erdkarte mit der Nordwestküste von Nordamerika
14: Erdkarte mit der Nordwestküste von Nordamerika

Obwohl Gutwein Universitätsstecher war und wichtige Aufträge aus den besten Kreisen damals erhielt, wurde Kritik an seine Arbeit an anderen Stellen ausgeübt. Über seine Stiche nach Joh. Zicks [17] Deckengemälden im Bruchsaler Schloß wurde gesagt, das eine wäre „ziemlich derb und wenig sorgfältig“ und das andere wäre eine „sehr freie Wiedergabe“. Diese Art Nachlässigkeiten scheinen auch seinem unsteten Lebenswandel zu entsprechen.

Ausschnitte des Datumsrings mit Fehlern
Ausschnitte des Datumsrings mit Fehlern
15: Ausschnitte des Datumsrings mit Fehlern (Juni mit 31 Tagen, August mit 30 Tagen)

Diese Art Flüchtigkeitsfehler sind auch in der Gravur des Kalenderrings zu finden s. oben. Die geübte Führung des Gravierstichels und die genau Schrift zeugen jedoch von dem Können eines Graveurmeisters und der Stil ähnelt dem auf dem Globus des Banz Planetariums in Bamberg, obwohl er nach einer viel genaueren Vorlage graviert wurde. Als Vorlage kommt vielleicht der geringen Größe wegen ein Taschenglobus von Doppelmayr oder Homann in Nürnberg in Frage [18,19].

Die Äquationsuhr im 18. Jahrhundert.
Unter dem Begriff Äquation oder Zeitgleichung versteht man die Differenz in Minuten und Sekunden zwischen der mittleren Ortszeit, angezeigt von einer genau gehenden Uhr, und die wahre Zeit, angezeigt von einer genau eingestellten Sonnenuhr. Für den Sonnenbeobachter von der Erde aus scheint die Sonne z.B. am Anfang November 16 ½ Minuten im Vergleich zu einer Normaluhr vorzugehen und Mitte Februar 14 ½ Minuten zurückzugehen; um den 14. April, den 13. Juni, den 2. September und den 25. Dezember ist die mittlere und die wahre Zeit gleich. Nachdem die Erfindung des Pendels und dessen Einzug überall in Europa vor 1700 Sekundengenauigkeit in der Woche bei stationären Uhren ermöglichten, und da es schon um 1700 auch Sonnenuhren mit Minutenanzeige gab, wurde die Notwendigkeit einer Äquationsanzeige bei wissenschaftlichen oder astronomischen Uhren größer. Die örtliche Sonnenzeit war die einzige Möglichkeit, eine mechanische Uhr einzustellen und die Äquation mußte dabei berücksichtigt werden. Es gab verbreitet Tabellen, die die täglichen Differenzen kalendarisch auflisteten [20], damit man mit Hilfe einer Sonnenuhr oder Mittagslinie eine mechanische Uhr genau stellen konnte. Um 1700 erschienen in England und Frankreich Uhren, die Äquation anzeigten. Über einer Nieren- oder Kurvenscheibe, die einmal im Jahre sich drehte, könnten die Differenzen zur mittleren Zeit einprogrammiert werden. Die Erfindung dieser Scheibe wird Christian Huygens zugeschrieben [21]. Angezeigt wurde die Äquation entweder durch ein normales Zifferblatt oder durch eine separate Skala oder durch einen zweiten drehbaren gravierten Minutenring, der sich gegen den feststehenden Minutenring um den Betrag der Differenz verdreht, oder durch 2 koaxial mitdrehende aber um den Betrag der Differenz leicht variierende Minutenzeiger. Die letzte Methode wurde, wie bei den Gutwein Uhren, sehr beliebt, weil die Ablesung am Einfachsten war; ein Zeiger gab die mittlere Zeit an, der andere - meistens mit einer Sonne - die wahre Zeit. Trotzdem war sie komplizierter in der Ausführung und verlangte ein Differenzialgetriebe. Es gab ingeniöse Lösungen. Der Engländer Joseph Williamson setzte ein Differenzialgetriebe um 1720 zu diesem Zwecke ein und es existiert eine solche Uhr von ihm, wobei die Minutenzeiger der mittleren Zeit und der wahren Zeit auf separaten Zifferblättern zeigten. In Frankreich erfand Le Bon [22] um 1717 angeblich ein differo-epizyklisches Getriebe, das als Vorläufer der erfolgreichen französischen Äquationswerke gesehen werden. Um 1724 erfand Thiout [23] eine Uhr, die mittlere und wahre Zeit anzeigt, und eine solche mit konzentrisch mitlaufendem Minutenzeiger bildet er in seiner „Traité d'horologerie“ 1741 ab. Seine Arbeit muß auch in Deutschland bekannt gewesen sein. Jedenfalls entspricht sein Äquationsgetriebe dem der Gutwein- Uhren am nächsten. Für die große Übersetzung zum langsam drehenden Nierenkurvenrad benutzt Thiout eine Schneckengetriebe, wobei in den Gutwein-Uhren ein normales Getriebe mit Stirnrädern und Trieben vorkommt. Im deutschsprachigem Raume fand es auch Anwendung bei Cajetano in Wien. Das System hat 2 große Nachteile:-
1. das Äquationsgetriebe an der Minutenradwelle ist zu schwer und trotz feinster Bauweise entsteht eine Unwucht an einer relativ schnell rotierenden Stelle,
2. es kann für eine Kalenderanzeige am Zifferblatt nicht gleichzeitig gebraucht werden, und ein zweites Getriebe für den Kalender muß synchron mit dem Zeigerwerk und der Äquationsscheibe laufen.
Diese Nachteile entfallen bei den französischen Äquationuhren mit dem System von Enderlin [24] et al.
Hier wird die Äquationsscheibe direkt am Kalenderwerk befestigt. Somit wird die Minutenwelle etwas von der Unwucht entlastet und die Synchronisierung vom Äquation und Kalenderwerk zwangsläufig geführt, weil es nur ein Kalendergetriebe gibt. Gegen Ende des 18 Jahrhunderts findet man dieses System bei der Kinzing Uhr [25], die der Stadt Leipzig von Roentgen geliefert wurde.

Die astronomisch- geographische Uhr im 18 Jahrhundert
Es hat zu allen Zeiten Uhren mit astronomischen Indikationen gegeben. Manchmal werden die einfachsten Uhren mit Kalenderanzeigen als Uhren mit astronomischen Indikationen fälschlich bezeichnet. Die frühen Monumentaluhren zeigten die Positionen der Sonne und des Mondes im Verhältnis zum Tierkreis in etwa vergleichbar mit den Astrolabien, und durch diese Kombinationen konnten weitere Informationen abgelesen werden. Erst nach der Akzeptanz des heliozentrischen Weltbilds nach Kopernikus und Keppler wurde diese Art astonomischer Anzeige zwar archaisch, aber der Tierkreis mit Fixsternen blieb als Teil eines Jahreskalenders. An geographischen Uhren ist eine Einrichtung - meistens am Zifferblatt- , durch welche die Ortszeiten anderer Länder an einer rotierenden Erdkarte oder einem Globus abgelesen werden kann; also eine Art Weltzeituhr. Eins der frühesten Beispiele einer Uhr mit rotierender Erdkarte (Planisphäre) ist die Monumentaluhr im Dome zu Münster [26]. In diesem Falle wurde die nördliche Erdhalbkugel spiegelbildlich auf dem Tympanum (feststehendem Hintergrund) in der Mitte des 17 Jahrhunderts gemalt, und als Vorlage dafür werden die Atlanten von dem holländischen Kartographen Wilhelm Janszoon Blaeu (1571-1638) genannt. In Deutschland erscheint wohl die Bezeichnung „Geographische Uhr“ erst 1705, als der Nürnberger Kartograph und Kupferstecher Johann Baptist Homann (1664-1724) mit dem Stadtuhrmacher Zacharias Landteck ihre berühmte „Geographische Universal-Zeig- und Schlaguhr“ [27] anfertigten. In Verbindung mit einem 24 Stundenzifferblatt, einer rotierenden Erdkarte (Planisphäre) und einem Kalenderring konnten Weltzeiten auf der nördlichen Hemisphäre sowie Sonnenauf- und Untergang an Hand von verschiebbaren kolorierten Gläsern abgelesen werden. Bei dieser Uhr mußte allerdings die Komponenten teils manuell betätigt werden. Der Prager Uhrmacher Pater Johannes Klein [22] hat das Homann'sche System voll mechanisiert und die rotierende Erdkarte mit einer nördlichen Erdhalbkugel ersetzt. Um die Anzeige der Sonneneinstrahlung und Sonnenauf- und Untergänge darzustellen, verwendet er eine dunkele Glaskugel. Er hat 2 Uhren dieser Art gebaut; eine um 1738, die in Prag steht, und eine um 1752, die in Dresden steht. Der Uhrmacher Vogel in Herrieden [28] (auch tätig in Ellingen und Eichstätt) baute eine Horizontaltischuhr mit rotierender nördlicher Erdhalbkugel innerhalb eines 24 Stundenringes. Außerdem befindet sich auch eine rotierende Erdkarte an der astronomischen Uhr, die Pater Bernardus Stuart und Uhrmacher Jakob Bentele 1735 für Erzbischof Firmian von Salzburg [29] bauten. Inwieweit dem Erbauer der Gutwein-Uhren diese früheren oder andere zeitgenössische Uhren als Vorbild oder Inspiration dienten, bleibt vorerst unbekannt. Eine spätere geographische Uhr, die 1787 im Schwarzwald von dem Geistlichen Rinderle gebaut wurde, hat ein Zifferblatt, das den Gutwein-Uhren so stark ähnelt, daß man seitens Rinderles eine Bekanntschaft mit einer der Gutwein-Uhren oder mit einer vergleichbaren, inzwischen verschollenen, Uhr vermuten muß.
Als unmittelbaren Vergleich zu dem Zifferblatt der Würzburger und Münchener Uhren erkannte Dr. Maurice den geographischen Teil der Neßtfell'schen Planetarien [30]. Johann Georg Neßtfell (geb.1694 in Alsfeld, gest. 1762 in Würzburg) baute 2 Planetarien mit einem solchen geographischen Zifferblatt; eins für Kaiser Franz I in Wien, das 1752 fertiggestellt wurde, und eins für den Würzburger und Bamberger Fürstbischof, Adam Friedrich Graf von Seinsheim, das 1761 fertiggestellt wurde. Die Ähnlichkeiten sind aber am besten an dem detaillierten Stich des Wiener Planetariums zu erkennen, den der Würzburger Universitätsstecher Johann Balthasar Gutwein 1753 anfertigte. Hiermit ist die Herstellung der Gutwein-Uhren in Verbindung zu bringen.

Der geographische Teil des Neßtfell'schen Planetariums [31]
Auf dem vertikalen geographischen Zifferblatt der Planetarien können folgende Anzeigen abgelesen werden:-
  • die Tageszeit (Ortszeit) auf einem skelettierten 24 Stundenring mit ¼ Stundeneinteilungen konzentrisch mit der Mitte des Zifferblatts, (beim Wiener Planetarium),
  • das Datum und Monat auf einem Jahreskalender, der durch 4 gegeneinander versetzte Ringe als ewiger Kalender ausgeführt wird - wie bei den Gutwein-Uhren, und an einem Außenreif die entsprechenden Tierkreiszeichen mit 360 Einteilungen,
  • die Jahreszahl als digitaler Anzeige mit dem Hinweis, daß nach 126 Jahren ein ganzer Tag ausfällt und daß 1826 und 1952 nicht als Schaltjahre zu betrachten sind,
  • die Ortszeiten auf der nördlichen Hemisphäre an einer rotierenden Erdhalbkugel innerhalb eines 24 Stundenreifs,
  • die jahreszeitlich bedingte Sonneneinstrahlung auf der nördlichen Hemisphäre durch eine Linie, die ihre Position im Verhältnis zum Nordpol der Erdhalbkugel verändert, - vergleichbar mit denGutwein-Uhren,
  • die rückläufigen Bewegungen des Mercur aus der Sicht der Erde durch eine Verbindung mit der Erdkugel über dem Planeten Mercur zum Kalender und Tierkreis,
  • die annähernden Richtungen der Knoten und Aphelien für die Umlaufbahnen der Planeten Mars, Jupiter und Saturn auf einer Scheibe im Zentrum des Zifferblatts.
Die wesentlichen Teile dieses Zifferblatts, die an die Gutwein-Uhren erinnern, bestehen aus dem skelettierten 24 Stundenreif, dem Kalenderring mit Einteilungen für die Tierkreiszeichen mit den Wörtern „Solstitum“ und „Aequinoctium“ im Falle der Würzburger Uhr, die verzierte Form des Zeigers (bei den Planetarien ist es der Stundenzeiger, bei den geographischen Uhren der gebläute Minutenzeiger), und der Anzeige der Sonneneinstrahlung mit einer Linie (bei den Planetarien an einer Erdkugel, und bei den Uhren an einer Planisphäre).
Die Anordnung des geographischen Teils der Nestfell'schen Planetarien übernahm Neßtfells Schüler und Geselle Johann Georg Fellwöck [32] in Zusammenarbeit mit dem Karmelitenpater Frederico a Santo Christophoro [33,34] zu Würzburg für ihr Tellurium, das 1772 fertiggestellt und an Kloster Banz im Andenken Neßtfells verkauft wurde. Allerdings wurde in diesem Falle auf einen Vierjahreskalender verzichtet. Hier liegen die Komponenten des Telluriums horizontal und sind oben verglast. Heute steht das Tellurium im Historischen Museum, Bamberg.
Eine weitere Gemeinsamkeit dieser Planetarien mit den Gutwein-Uhren ist die Berechnung der Erdrotationen bzw. der Kalenderanzeigen, wo ein Zahnrad mit 69 Zähnen in allen Übersetzungen vorkommt, s. die Berechnungen oben und von Oechslin [35]
Als das Königliche Bayerische Nationalmuseum 1877 aufgebaut wurde, kamen das Neßtfell'sche Planetarium sowie die Fellwöck'sche geographische Uhr mit anderen Sachen nach München. In dem Inventar wird sie ausdrücklich als die Fellwöck'sche geographische Uhr genannt. Es handelt sich hier um die Münchener Gutwein Uhr. [36]

Johann Georg Fellwöck
Da man die Münchener Uhr mit ziemlicher Sicherheit Fellwöck zuschreiben kann, ist es sínnvoll den Lebenslauf von Fellwöck zu erörtern.
Johann Georg Fellwöck (Fellweck, Fellwig, Fellbeck, Felböck, Fellbökh, Felbäch) wurde 1702 in Oberhausen an der Vils getauft und starb 1810 in Würzburg. Sein Vater Sebastian Felbäch war Schreiner in Loitersöd. Johann Georg Fellwöck arbeitete mit dem Hofschreiner Benedikt Schlecht [37] zusammen aber war wohl mit Neßtfell bekannt spätestens, als Neßtfell um 1755 den Auftrag von Seinsheim bekam, ein Planetarium zu bauen. Neßtfell wurde ab 1759 Universitätmechaniker und lieferte auch 2 große Mauerquadranten für die Universitätssternwarte kurz vor seinem Tode. Vermutlich war Fellwöck maßgeblich an diesen Arbeiten beteiligt, da Nestfell schon öfters kränkelte. Neßtfell vermachte Fellwöck testamentarisch gegen eine Entschädigung von 40 fl. an einen jugendlichen Verwandten zu seiner„ bisher getrieben Profession gehörige Werkzeug [38] sowohl an Holz als Eisen, Stahl und Messing“. So war Fellwöck als Nachfolger Neßtfells mit Material bestens ausgestattet und konnte den Titel seines Meisters anstreben.  Zu dieser Zeit wurde Fellweck mit seinem Bruder Stefan zur Meisterprüfung der Schreinerzunft in Würzburg zugelassen [39]. Sie brauchten - beide sogar als auswärtige- jedoch nur das kleine Meisterstück des Schreiners zu präsentieren, normalerweise ein Privileg, das nur für Söhne Würzbuger Handwerksmeister reserviert war. Vermutlich geschah dieses Zugeständnis durch Intervention von höherer Stelle -(Seinsheim?). Interessanterweise ging sein Bruder, jetzt als Schreinermeister, zu der fürstlichen Münze. Bis 1766 zog Fellwöck Neßtfells Planetarium in der fürstlichen Universitätsbibliothek offensichtlich ohne Entgelt regelmäßig auf, zerlegte und reinigte es. Da er an der Herstellung der Maschine vermutlich beteiligt war, kannte er die Feinheiten und wußte sie entsprechend zu pflegen [40]. Im Jahre 1766 bat er um eine Entschädigung beim Fürstbischof in der Form eines zinsenlosen Darlehens in Höhe von 1000fl., wovon er jährlich 50 fl.abtragen wollte. Der Fürstbischof war nicht abgeneigt, erkannte den Bedarf der Universität an einem Mechaniker und stellte Fellwöck ein. Erst ab 1769 erhielt er seine regelmäßige Bezahlung in Form von 2 Malter Korn für das Jahr, die er anscheinend bis zu seinem Lebensende erhielt, obwohl er seit Mitte der siebziger Jahre die Maschine nicht mehr aufzog. Nach Benedikt Schlecht wurde er Hofschreiner. [41] Als Universitätsmechaniker war er dem Jesuitenpater und Mathematiker Professor Huberti, Direktor der Sternwarte unterstellt, der einige Arbeiten in Auftrag gab; u.a im Jahre 1766 einen beweglichen Quadranten mit 2 Fernrohren (heute in Prag), einen Azimutalquadranten in 1768 (heute im Deutschen Museum), und eine astronomische Pendeluhr in 1768 (heute im Bayerischen Nationalmuseum). Die Noniusskalen der Quadranten von Fellwöck unter Hubertis Anleitung waren eine große Verbesserung gegenüber den Skalen an Neßtfells Mauerquadranten, worüber Huberti seine Unzufriedenheit äußerte. Das Banzer Planetarium wurde 1772 fertiggestellt. Professor Huberti baute selber ein Planetarium (heute im Deutschen Museum) für die Würzburger Universität im Jahre 1764, an dem Fellwöck wahrscheinlich mitarbeitete. Fellwöck wurde 1809 mit anderen verdienten Männern bei der Stiftungsfeier der damaligen „ Gesellschaft zur Vervollkommnung der mechanischen Künste“ zum Ehrenmitglied ernannt und starb 1810.


Die Münchener Gutwein-Uhr ist wohl die Fellwöck'sche geographische Uhr, die 1768 für das astronomische Institut der Würzburger Universität gebaut wurde. Laut Heß [42] wurde sie unter Anleitung von Professor Huberti gebaut. Inwieweit Huberti die Uhr selber entwarf oder eine andere modifizierte, ist vorerst nicht bekannt. Obwohl Fellwöck schon handwerklich seinem Lehrmeister Neßtfell nachkam, scheint er nicht sonst eigene Ideen verwirklicht zu haben wie Neßtfell. Auch das Banzer Planetarium wurde unter Anleitung der Karmeliterpater Fridericus a Sto. Christophoro verfertigt. Die Frage stellt sich, ob auch Uhrmacher an den mechanischen Arbeiten bei diesen Uhren und vielleicht sogar bei den Planetarien beteiligt waren. [43] Bekanntlich hat kein einzelner Handwerker alle anfallende Arbeiten sonst erledigen müssen; das Zifferblatt wurde z.B. von einem Graveur (Gutwein?) gemacht. Arbeitsteilung wurde schon viel früher in diesem Gewerbe nachweislich ausgeübt. In Würzburg gab es zu dieser Zeit genug Großuhrmachermeister, z.B. Langschwert, Engelschalck, Schipani und dann Kesmann, sowie mehrere unbekannte Gesellen. (Die Abfallverstellung der Gutwein-Uhren und der Kesmann Uhr in Bruchsal sind gleich.) Es wäre aber vielleicht unehrenhaft für einen zünftigen Uhrmacher bei einem Schreinermeister zu arbeiten, wenn man bedenkt, wie die restriktiven Zünfte in Würzburg auf ihren Rechten pochten. Es wäre hier genauso ein Skandal, wenn ein gelernter Schreiner sich mit seiner Signatur an einer Uhr verewigte. Deshalb vielleicht sind die Uhren nicht signiert. Die Planetarien stellten etwas Außergewöhnliches dar und wurden nicht in dem Sinne als Uhren gesehen. Sie wurden signiert. Fellwöcks Signatur auf dem Banzer Planetarium ist nicht zu übersehen. Allerdings arbeitete Fellwöck (und Neßtfell vor ihm) indirekt für den Fürstbischof und genoß als Hofhandwerker das Privileg eines Künstlers unabhängig von den Zünften. (Bekanntlich gab es der Präsidenzfall Oegg. Johann Georg Oegg wurde als Hofschlosser von Friedrich Karl von Schönborn nach Würzburg berufen und setzte sich großzügig über die Gebräuche und Gesetzte der Zunft hinweg [44], da er sich als Künstler fühlte, obwohl er 1736 Mitglied der Schlosserzunft wurde.) Es stellt sich auch die Frage, ob ein Hofuhrmacher für die mechanischen Arbeiten laut Dekret von höherer Stelle einfach zur Verfügung stehen mußte.
Wenn die Münchener Uhr mit 1768 zu datieren ist, muß die Würzburger Uhr anhand ihrer Imperfektionen,- der Aufzugslöcher im Kalenderring, des schweren Äquationskäfigs, der vielen Fehler am Kalenderring usw., früher sein. Huberti wäre mit den falschen Angaben am Kalenderring der Würzburger Uhr für sein astronomisches Institut bestimmt äußert unzufrieden wie im Falle Neßtfells Noniusskalen. Allerdings läßt sich nicht feststellen, wie viel älter die Würzburger Uhr eigentlich ist,- ein paar Jahre oder sogar aus Neßtfells Zeiten um 1755-60. Die Parallele zum geographischen Teil Nestfells Planetarien lassen sich nicht verleugnen und vielleicht entstanden die Uhren aus dem Wunsch eine vereinfachte Version dieses Teils des Planetariums zu presentieren. Zusätzlich hat die Würzburger Uhr die etwas rätselhaften Zahlen zur Korrigierung des Kalenders wie bei dem Wiener Planetarium (mindestens die Zahl 126).
Es stellt sich auch die Frage, wer so eine Uhr gekauft hat, - außer dem Fürstbischof für das astronomische Institut. Als potentielle Kunden kommen sonst nur wohlhabende Leute im Raume Würzburg in Frage, unter anderem die Familie Schönborn, die bekanntlich die ursprüngliche Mäzene von Neßtfell waren. Interessanterweise beweist eine nicht ganz gelungene Äquatorialsonnenuhr mit Zeitgleichung Neßtfells Interesse an Messungen von Äquationswerten. Sie befand sich in Schloß Pommersfelden, Sommerresidenz der Familie von Schönborn [45] und trägt die Signatur „ Johann Georg Nesfell Wiesen Heyd“.  Bekanntlich gab es passende Sonnenuhren, um komplizierte mechanische Uhren einzustellen, wie bei der Kinzing Uhr in Leipzig [46] und bei der Kinzing Uhr im Goethe Haus in Frankfurt [47]. Kam die Würzburger Gutwein Uhr sogar aus Schloß Pommersfelden oder Wiesentheid? Sie wurde 1940 vom Museum aus dem Kunsthandel erworben und ihre vorherige Provenienz läßt sich bis jetzt nicht belegen. Wie am Anfang erwähnt existiert irgendwo eine dritte Gutwein-Uhr. Vielleicht hat ihr Besitzer diesen Artikel gelesen und kann noch ergänzende Information dazu beitragen.

01 Trenschel H.P.: Uhren fränkischer Meister des 18. & 19. Jahrhunderts, Mainfränkisches Museum Würzburg, 1982, Nr. 3, Inv.Nr. S.43179

02 Maurice K.: Die deutsche Räderuhr Bd.II, München 1976, Nr. 863.

03 Schriften der Freunde alter Uhren in der DGC, Ulm, Heft VIII,1968/69, S. 40.

04 Johann Balthasar Gutwein, geb. 1702 in Augsburg, starb als Hof- und Universitätskupferstecher in Würzburg 4.1.1785. Er verbrachte einige Zeit Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre des 18. Jhr. in Italien aber seine Frau die Werkstatt weiter. Nach seiner Rückkehr muß der excellenten Stich von Neßtfells Wiener Planetarium eine seiner ersten Arbeiten gewesen sein. Es ist dadurch fraglich, ob er die Gravurarbeiten an dem Gerät selber hätte machen können, da die Entstehungszeit von diesem mit seiner Zeit in Italien überschneidet. Die Arbeiten konnten aber ebensogut in seiner Werkstatt ausgeführt worden sein. Nach Angaben von Dr. Trenschel.

05 Michal S.:Astronomische Kunstuhren von Johannes Klein, Klassikuhren 2/96.

06 Himmlisches Räderwerk, Die astronomische Kunstuhr Frater Cajetanos, Katalog zur Sonderausstellung 9. Mai bis 29. September 1996, Wien.

07 Oechslin L., Astronomsiche Uhren und Welt-Modelle der Priestermechaniker im 18. Jh., CH-Neuchâtel,1996, Katalog Nr.7. Außerdem behandelt Oechslin in seinem umfangreichen zweibändigen Werk die hier erwähnten Uhren von Stuard-Bentele für Erzbischof Firmian (Kat.Nr.1), Klein (Kat.Nr.2), Neßtfell (Kat.Nr.3), Fellwöck-Sto.Christophoro (Kat.Nr.4), und Cajetano (Kat.Nr.6). Er bezieht sich nur flüchtig auf die Gutwein-Uhren als Beispiele geographischer Uhren nach der Vorlage von Homann um 1705 (S.39). Er behandelt die spätere geographische Uhr von Rinderle, 7,1.

08 Maurice K., Die deutsche Räderuhr II, Nr.860. Die Uhr steht in Schloß Bruchsal und könnte sogar Kesmanns Meisterstück sein.

09 Ein tropisches Jahr ist der Zeitdauer zwischen zwei hintereinanderfolgende Durchgänge der Sonne durch das Frühlingsäquinoctium oder den ersten Punkt des Widders. Der mittlere Wert für Epoche 1900 ist 356 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, 46.0 Sekunden, oder 365.24219879 Tage. Aus „Geared to the Stars“ von H.C.King & J.R.Millburn, Bristol 1978.

10 Differo-epizyklische Getriebe waren schon in deutschen Renaissance Uhren bekannt, s. Bassermann-Jordan: Uhren, München 1961, Abb 143

11 Oechslin, op. cit. S. 44.

12 Johann Georg Neßtfell, geb. 1694 in Alsfeld, gestorben 1762 in Würzburg. Er kam circa 1720 nach Wiesentheid als Hofschreinermeister bei den Grafen von Schönborn und war ab 1743 auch in Kloster Banz als Kunstschreiner tätig. Er führte technische Arbeiten aus und fertigte mechanische Modelle für das naturwissenenschaftliche Kabinett. Sein Interesse an Astronomie wurde durch die in Banz befindlichen Erd- und Himmelsgloben aus dem 17. Jahrhundert von Coronelli geweckt. Er baute ein hölzernes Planetarium mit Uhrwerk. Durch Neßtfells Gönner, Rudolf Franz Erwin Graf von Schönborn erfuhr Franz Stefan von Lothringen bei seiner Krönung zum deutschen Kaiser in 1745 von Neßtfell, der ihn mit seinem Planetarium nach Wien einlud. Der Kaiser beauftragte ein neues Planetarium aus Metall, das er 1753 nach Wien persönlich überbrachte. Nach seinem Antritt als Fürstbischof von Würzburg in 1755 bestellte Adam Friedrich Graf von Seinsheim für 4000fl. eine ähnliche Planetenmaschine, die 1760 fertig wurde. Außerdem wurde er Universitätsmechaniker und baute 2 große Mauerquadranten. Huberti äußerte Unzufriedenheit mit den Noniusskalen an Neßtfells Mauerquadranten.

13 Hess W.: Johann Georg Neßtfell, Studien zu deutschen Kunstgeschichte, Straßburg, 1908. Man darf jedoch nicht alle Angaben von Hess glauben.

14 Henck H.: Planetenmaschinen, Blätter für württembergische Kirchengeschichte 79, 1979. Durch Hencks Nachforschungen kann man doch annehmen, daß Pfarrer Hahn, der bekannteste deutsche Erbauer Planetarien, von Neßtfells Arbeiten wußte, da beide Oettinger und Fricker kannten.

15 Neßtfell: „Kurzgefaßte, doch gründliche Beschreibung Der von mir Johann Georg Neßtfell erfundenen und verfertigten accuraten Copernikanischen Planeten- Maschine....(Bamberg, 1761),
Kurzgefaßte astronomische Sätze, zur Beurtheilung der vortreflichen Maschine, die das copernicanische Weltgebäude vorstellt und die... von dem berühmten Herrn Mechanico Nesfell in der Hochfürstl. Residenzstadt Wirzburg verfertiget worden. (Wirzburg, 1759). - Abgekürzt: [Flosculus].

16 King & Millburn: Geared to the Stars, Bristol, 1978, S. 231.

17 Johann Zick, geb. 1702 in Ottobeuren, gestorben 1762 in Würzburg, berühmter Maler, u.a. von den Decken des Gartensaals in der Würzburger Residenz. Er baute auch ein kopernikanisches Planetarium, das 1760 fertig wurde. Es war eine Art Amillisphäre mit Uhrwerk. Es war Anlaß eines schriftlichen Disputs zwischen Neßtfell und Zick. Es wurde im 2. Weltkrieg vollkommen zerstört.

18 K.Pilz, 600 Jahre Astronomie in Nürnberg, Nürnberg, 1977, S.312-318, der Mathematiker Johann Gabriel Dopplmayer, 1677-1750, studierte in Altdorf, Halle a.S. und Leiden, Mitglied meherer gelehrter Gesellschaften u.a. Royal Society in London. Arbeiten über Sonnenuhren und wissenschaftliche Instrumenten, Verfasser des Texts von Johann Baptist Hohmanns Großen Atlas 1731, deutscher Übersetzer von Bions mathematischer Werkschulen aus dem Französischen. Für seine bekannnte Erd- und Himmelsgloben benutzte Doppelmayr den Kupferstecher und Feinmechaniker Johann Georg Puschner I.

19 Als Vergleich s. Kostbare Wissenschaftliche Instrumente und Uhren aus dem staatlichen mathematischen-physikalischen Salon in Dresden, 1994, Nr. 12

20 Diese Tabellen waren in Form eines Jahreskalenders, der anzeigte, wie viele Minuten und Sekunden eine mechanische Uhr vor- oder nachgeht. In Holland wurden sie z.B. vom Uhrmacher van der Cloesen in's Gravenhage und in London von Tompion ausgegeben.

21 Lloyd H.A.: Some Outstanding Clocks over seven hundred years, London, 1958, S.81

22 Le Bon, Charles fils, Paris, geb 1678. Er beschreibt 1717 für den Abt de Hautefeuille eine Uhr mit Äquation, die er gebaut hätte, obwohl Pater Dom Jacob Alexander in seiner Abhandlung angibt, schon 1698 der königlichen Akademie der Wissenschaften den Entwurf einer solchen Uhr presentiert zu haben. Aus: Ausführliche Abhandlung von den Uhren überhaupt, Pater Dom Jacob Alexander, übersetzt von Dr. Christian Berger, Lemgo,1738.

23 Thiout, Antoine (l'aîné), geb. 1694 Joinville, gestorben 1761, publizierte 1741 seine „Traité de l'Horlogerie méchanique et pratique“, s.Tome II, Planche 22.>

24 Thiout: op.cit. Tome II, Planche 26.

25 Denkel & Fowler: Meisterwerke Bd. 8, Uhren, Koblenz 1992, S.88.

26 Wischebrink, Theodor: die astronomische Uhr im Dome zu Münster, Münster, 1983.

27 Maurice: op.cit. Nr. 798.

28 Maurice, op.cit. Nr.628

29 P.Husty &P.Fries: Die Firmiansuhr, Klassik Uhren 6/1994

30 Maurice: op.cit., Nr.863

31 Philipp Matthäus Hahn, 1739-1790, Katalog zur Ausstellung des Württembergischen Landesmuseum usw., Stuttgart 1989, Teil I, S. 55-61, Teil II, S 407ff.

32 S. Henck; op.cit., S.126,

33 Hahn Katalog: op.cit. Teil I, S. 68,

34 S.Henck: op.cit. S.125.

35 Oechslin: op.cit. 3.1,3.2, & 4.1. Auch bei den anderen zeitgenössischen von Oechslin untersuchten Uhren kommt die Zahnzahl 69 für einen ähnlichen Zyklus nicht vor.

36 Diese Tatsache schien entweder vergessen worden zu sein oder inzwischen bedeutungslos. Ich möchte Gerhard G. Wagner, Kleinrinderfeld an dieser Stelle für die achivalische Aufklärung in Hinsicht auf die Herkunft bedanken!

37 Benedikt Schlecht war Hofschreiner in Würzburg vor Mattern und letzter versuchte Schlecht zu verdrängen. Schlecht beharrte auf seine Stellung und blieb trotz seinem Alter und seinen Krankheiten länger im Amt. Ihm wurde das Gehäuse der Münchener Gutwein Uhr zugeschrieben. In seinen letzten Jahren wurde ihm von Fellwöck geholfen und Fellwöck übernahm auch seine Position als Hofschreiner. Nach Angaben von Dr. Trenschel.

38 Mit dem Wort „Werkzeug“ könnte jedoch zu dieser Zeit entweder nur Rohmaterial (Metall und Holz) oder Werkzeug im moderneren Sinne gemeint worden sein. Es ist deshalb unsicher, ob Fellwöck tatsächlich eine komplette Uhrmacher/Feinmechaniker- oder Schreinerwerkstatt von Neßtfell übernahm, wie so selbstverständlich von Hess behauptet wird.

39 Staatsarchiv Würzburg

40 Seelig, Lorenz: Die Würzburger Planetenmaschine Johann Georg Neßtfells, Studioausstellung im Bayerischen Nationalmuseum München, Sonderdruck aus „Kunst & Antiquitäten“ 1988/5.

41 Das Mainfränkisches Museum Würzburg besitzt eine Damensekretär mit Intarsien, die mit ziemlicher Sicherheit Fellwöck zugeschrieben werden kann.

42 Heß, op.cit. S. 92

43 Das Antriebswerk des Banzer Planetariums wurde anders als die der Gutwein-Uhren gebaut. Es hat einen Geichtsaufzug mit Huygens'schem Endlosseil.

44 Trenschel, H.P.: Würzburger Hofschlosser und Domkapitelsche Schlosser des 18. Jahrhunderts in „Unter Verschluß“, Sonderausstellung des Mainfränkischen Museums Würzburg, 1992.

45 Zinner, Ernst: Astronomische Instrumente des 11. bis 18. Jahrhunderts, München, 1967, S.458.s.19

46 Denkel & Fowler 1992: op.cit. S. 88

47 Denkel & Fowler 1992: op.cit. S. 37ff, Entwurf von G.G.Wagner.

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